Die Sardische Küche. Ein Teil des Geheimnisses der Hundertjährigen.
Man sagt, kaum irgendwo sonst leben so viele Hundertjährige wie auf der sonnenverwöhnten Mittelmeerinsel. Die Sardische Kultur war schon vor viertausend Jahren ausgeprägt, dennoch lebten die Sarden traditionell in relativer Isolation. So haben sie ihre archaischen Gebräuche und ihre Lebensart über die Jahrhunderte hinweg entwickelt, gepflegt und bis heute erhalten. Ja man vermutet, dass ihre Langlebigkeit genau auf diese Lebensart zurückzuführen ist. Denn die Sarden leben ein einfaches Leben. Ihre Küche ist streng an die Traditionen gebunden und gilt als ausgesprochen gesund.
Landwirtschaft und Viehzucht waren seit jeher die Grundlagen der sardischen Wirtschaft.
Schäfer prägten und prägen noch heute das Bild des traditionellen Sardiniens. Im dünn besiedelten Landesinneren gibt esnoch heute doppelt so viele Schafe wie Menschen. Die sardische Küche ist eine „Küche der Erde“. Schwein, Schaf, Wild, Brot, Milchprodukte, Honig, Wurstwaren und Gemüse prägen die Landwirtschaft und somit auch die Küche. Die sardische Küche ist schlicht, die Zutaten naturrein.
Fisch spielt traditionell kaum eine Rolle. Denn obwohl Sardinien eine Insel ist, waren die Sarden niemals Seeleute.
Im Gegenteil. Das Meer wurde als feindlich betrachtet und man sagt: „Was vom Meer kommt, ist von Übel“. Denn die Küsten waren malariaverseucht und oft von Piraten bedroht. So lebten die Sarden seit jeher im Landesinneren. Erst die fremenden Völker, die Sardinien zeitweise beherrschten, besiedelten die Küsten. Sie hinterließen ihre Spuren nicht nur in Bauwerken, wie den Sarazenertürmen sondern auch in der Küche. Sie führten Speisen aus Fisch und Meeresfrüchten in Sardinien ein.
Die Sardische Küche und ihre Schwerpunkte
Mittelpunkt der sardischen Ernährung ist das Brot – das Grundnahrungsmittel schlechthin. Die Sarden kennen seinen Wert, es ist ihnen heilig. Als die Transhumanz noch der einzige Weg war, die Familie zu ernähren unddieSchäfer fast das halbe Jahr auf Wanderschaft, war haltbares Brot essentiell zum Überleben. Wenn die Schafhirten mit ihren Herden in die Berge zogen, brauchten sie haltbares Brot. So entstand das „pane carasau“, auch „carta da musica“ (Notenpapier) genannt, weil es beim Abbeissen so besondere Töne von sich gibt. Es ist trocken, hauchdünn und ganz leicht. In jedem Restaurant wird es auch heute noch gereicht. Alltags verzehrt man es auch als Brotsuppe in Wasser aufgeweicht, zusammen mit Käsescheiben oder frischen Tomaten und Eiern als zuppa gallurese.
Brot ist enorm wichtig: So gibt es kunstvoll modelliertes Hochzeitsbrot, das mir Girlanden, Tieren oder Blumen geschmückt ist. Zur Taufe wird das Brot als spitzer Kegel zubereitet, um die Freude über das neue Leben auszudrücken. Hingegen am Todestag backt man es aus Vollkorn, dessen dunklere Farbe für die Trauer steht.
Das Brot wird traditionell von den Frauen gebacken, während die Männer für die Zubereitung des Fleischs zuständig sind.
An Feiertagen wird gerne „porcheddu“ – ein junges Spanferkel am Feuer zubereitet. Es wird auf Stecken rund ums Feuer gesteckt und dort langsam gegart. Den Wohlgeschmack erhält es allein vom guten Futter der jungen Ferkel und vom Sardischen Meersalz.
Da Fleisch kostbar ist, werden in der sardischen Küche alle Teile verwertet. Köpfe werden mit Minze, Zwiebeln, Tomaten und Petersilie gekocht, genauso kommen mit Speck gestopfter Lamm- oder Ziegendarm auf den Tisch. Sehr lecker ist auch „sa cordula“, ein mit Zitrone zubereitetes Gericht aus Innereien wie Leber, Lunge, Herz und Darm.
Wildschweinschinken und zu Würstchen gedrehte Innereien sind gefragte Leckerbissen. Ebenso die mit Fenchelsamen und Essig gewürzte Wurst, die neben dem Herd gelagert und dadurch auch geräuchert wird. Man isst sie roh oder zu Nudeln. Die luftgetrocknete Salami aus dem Fleisch der frei weidenden Schweine ist besonders würzig.
Die traditionellen Nudeln Sardiniens sind die „malloreddus“. Auch Gnocchi sardi werden gerne gegessen, ebenso mit Ricotta gefüllte Ravioli. Ein Sehr sardisches Gericht sind die Cullurgiones – mit Kartoffelteig und Minze gefüllter Nudelteig.
Eine weitere wichtige Grundlage der sardischen Küche ist der Pecorinokäse.
Dieser Käse aus Schafsmilch wird mit zunehmender Reifezeit pikanter. Anfangs ist er fast weiß und schmeckt angenehm mild. Der klassische „fiore sardo“ ist schon fester in der Struktur und mindestens sechs Monate gelagert. Aus Schafsmilch wird auch Ricotta zubereitet, daneben gibt es noch verschiedene Sorten Ziegenkäse). Wenn du mehr über den Pecorino oder die Herstellung von Ricotta wissen willst, empfehle ich dir den Beitrag über Sardischen Schafskäse zu lesen.
Gemüse wie Tomaten, Paprika, Zucchini, kleine Artischocken, Pilze und Auberginen werden reichlich in der Küche verwendet. Die Sardischen Carciofi (artischocken) sind die besten die es gibt.
Seit Jahrhunderten wird an den Küsten Sardiniens Salz gewonnen. Zudem ist die Insel reich an würzigen Kräutern. Es gibt hervorragenden Safran, der allerdings selbst verbraucht und nicht exportiert wird.
Unverzichtbar ist das sardische Olivenöl, das von hervorragender Qualität ist und die Ursprünglichkeit der Küche unterstreicht. Schon die Ureinwohner Sardiniens, die Nuragher, hatten die Olivenkultivierung von den Puniern übernommen.
Zu den ganz besonderen, meergeborenen Spezialitäten gehört „bottarga“. Das Sardische Gold wird aus dem Rogen der Meeräsche hergestellt. Die Fischeier werden gesalzen unter Gewichten getrocknet. Man isst sie in hauchdünne Scheiben geschnitten. Mit Tomaten als Salat, mit Olivenöl auf Nudeln oder einfach auf Brot gelegt. Auch mit einer Portion Venusmuscheln gehen sie hervorragend zusammen. Die Meeräsche wird auch als „merca“ in Salzwasser gekocht. Die Fischgründe um Sardinien sind reich.
Süßspeisen dürfen in der Sardischen Küche nicht fehlen!
Als Süßspeise wird in vielen Regionen Sardiniens „Torone“ verzehrt, ein Nougat aus Honig und Eiweiß, verfeinert mit der Schale von Zitrusfrüchten, Nüssen oder Mandeln. Auch süße Ravioli mit Mandelfüllung werden zum Dessert gereicht. Sehr verbreitet ist ein Amaretti-Gebäck auf der Grundlage von Mandeln, das oft mit Orangenblüten aromatisiert wird. Jedes Dorf hat da seine eigene Spezialität entwickelt. Nicht zu vergessen die Seadas, die zur Sardischen Küche unbedingt dazugehören! Je nach Region heißen sie Seadas, Sebadas oder Sevadas. Immer sind sie jedoch aus einem speziell fermientierten jungen Pecorino, in Teig gehüllt und ausgebacken. Dann entweder mit Corbezzolo-Honig oder Puderzucker gesüßt. Zu jedem Feiertag – und auch sonst zu jedem sich bietenden Anlass, werden außerdem Kekse gebacken zum Beispie aus Mandeln oder Baiser. Probieren ;-).
Die Weine Sardiniens sind der deftigen Küche angepasst.
Der kräftige, erdige Rotwein hat einen hohen Alkoholgehalt und ist als Begleiter der typischen Fleischgerichte unverzichtbar. Der trockene, samtige Rotwein Cannonau zählt zu den ältesten Weinsorten überhaupt. Er soll auf Sardinien schon um 1200 v. Chr. erzeugt worden sein. Leicht und frisch ist der Weißwein Vermentino. Der Dessertwein Sardiniens ist der Vernaccia di Oristano, der Ähnlichkeit mit Sherry hat. Auch der Malvasia di Bosa gehört unbedingt bei den Weinspezialitäten genannt!
Die wohl typischste Pflanze Sardiniens ist die Myrte. Der Legende nach schenkte die Göttin der Liebe den Hirten die Myrte, die daraus einen weißen und einen roten Liebestrank brauten. Der „Mirto“ ist ein Kräuterlikör, der auf Sardinien zum Dessert gereicht wird. Weißer Mirto wird aus den Blättern der Myrte gebrannt, roter aus ihren Beeren.
Nun, so sind wir dem Geheimnisse der Hundertjährigen ein Wenig näher gekommen. Lebenfreude, eine ausgeprgte soziale Gemeinschaft und die wundervolle Natur Sardiniens gehören auf jeden Fall auch dazu!