Letizia Battaglia: ihr Leben ist ein einziger Kampf  – gegen die Mafia, gegen feige Bürger, gegen die eigene Familie.

2007 wurde der Fotografin Letizia Battaglia der Dr.-Erich-Salomon-Preis der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) verliehen.
Dieser Preis wurde eine Frau verliehen, die stets mehr als Fotografin war. Denn sie war Dramaturgin, Stadträtin, Abgeordnete der Anti-Mafia-Partei La Rete sowie Verlegerin. Ihr Nachname Battaglia bedeutet Kampf, die Kamera ist ihre Waffe. Mit ihren Fotos rüttelt sie auf, mit ihnen gibt sie der Mafia ein Gesicht.Mit ihren Fotos  kämpft sie für die Freiheit und gegen Personen, die von Sizilien aus das gesamte System des Landes durchsetzen. Bei ihren Fotos ging es ihr  immer erst um den Kampf und dann um die Kunst. Denn sie kämpfte gegen kleinmütiges Bürgertum, gegen überkommene Moralvorstellungen und gegen präpotente sizilianische Männer.

Manche Fotos sind unmittelbar nach der Tat entstanden.

Sie sind Zeugnis einer Brutalität, wie sie in Sizilien an der Tagesordnung war und ist. Sie begann  nur deshalb zu fotografieren,
weil sich Geschichten mit Fotos besser verkauften als Geschichten ohne Fotos. So einfach kann Kunst sein.

Frauen von Opfern, Frauen von Tätern, Frauen, die starr vor Trauer und Entsetzen sind.
Sie stehen geradezu ikonographisch für Sizilien und das blutige Treiben der Mafia: Photos, die nichts von ihrer Unmittelbarkeit und Eindringlichkeit verloren haben.
Die Mafia – eine Touristenattraktion, ein Kino-Mythos, ein Gespenst der Vergangenheit?
„Alles Schwindel“, antwortet Letizia Battaglia bestimmt: „Wahr ist, dass die Mafia nicht mehr so brutal auftritt wie früher, aber nur, weil es eine stille Übereinkunft gibt: ,Wir töten keine Richter, Journalisten und Politiker mehr, und dafür lässt der Staat uns in Ruhe machen.‘
Die Mafia ist heute überall, sie hat die Verwaltungen, Medien und Parteien, die Rechte, aber auch Teile der Linken infiltriert, sie sitzt in den Köpfen der kleinen Leute und an den Schaltstellen der Macht. Natürlich gibt es immer noch mutige Beamte, Politiker, Journalisten und Geschäftsleute, aber die Grenzen verschwimmen.
Die Mafia ist unsichtbar geworden.“

Zur Künstlerin: Letizia Battaglia

(ital: Kampf, Schlacht, Streit) wurde 1935 geboren und lebt mitten in Palermo.
Von 1974 bis 1990 hat Letizia Battaglia für die kleine, von den Kommunisten unterstützte Tageszeitung „L’Ora“ in Palermo gearbeitet.
Bis zu fünf Mafiamorde gab es damals täglich, in der Dunkelkammer hörte sie den Polizeifunk ab. Dann war sie mit ihrer Vespa oft als Erste am Tatort. Die italienische Journalistin hat zwischen 1970 und 1994 insgesamt 600.000 Schwarzweißaufnahmen von Mordopfern und Mafia-Gewalt gemacht.
So sind Aufnahmen von verstörender Unmittelbarkeit entstanden, Zeugnisse barbarischer Brutalität, die sie später auch auf der Straße ausgestellt hat.

Bilder von Letizia Battaglia

Dann aber widmete sie sich mit aller Kraft dem Kampf gegen die Mafia.

Franco Zecchin war  als Fotograf viele Jahre Partner und Lebensgefährte Battaglias
Das gemeinsame Ziel ist  Freiheit und Gerechtigkeit. Er sagt über sie: „Außergewöhnlich ist, mit welcher Energie sie ihre Überzeugungen vertritt, die ihr ganzes bisheriges Leben bestimmt haben und sie so vieles haben erreichen lassen.“ Die Männer und Frauen dieser Erde mit ihrem unerfüllten Verlangen nach Menschlichkeit stehen im Mittelpunkt ihrer Bilder. Für die Grünen wurde sie 1985 in den Stadtrat gewählt. Dann ins Regionalparlament von Sizilien und erneut in den Stadtrat. Hier erfand der Bürgermeister für sie das Dezernat „Urbane Lebensqualität“. Damals ist sie in das zerfallende historische Zentrum gezogen, ließ einen Palazzo restaurieren und richtete ihr Studio und ihren Verlag darin ein. Doch der Versuch, sich an die Spitze eines Sanierungsprogramms zu stellen, fand nicht viele Mitstreiter, obwohl die Stadt mit siebzig Prozent der Wiederaufbaukosten lockte.

Die Altstadt von Palermo war ein gefährliches Pflaster

Dreimal wurde Battaglia ausgeraubt: „Die haben alles mitgenommen, außer den Büchern und Fotos. Dafür waren sie zu blöd. “Was ihr Archiv, das mehr als eine halbe Million Negative umfasst, noch an explosivem Material birgt, weiß sie selbst nicht genau. Sie hat es nach Paris in Sicherheit gebracht, aber bisher kein Institut gefunden, das es hütet und damit arbeiten möchte: „In Palermo gibt es keines. Was wird daraus, wenn ich nicht mehr bin?“
Letizia Battaglia wurde für ihre Arbeit vielfach international ausgezeichnet. Sie setzt sie sich bis heute in der Umwelt- und Kommunalpolitik der Stadt ein.

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